Beitrag vom 10.07.2024

Neue Trends und Einflüsse ändern unsere Essgewohnheiten

Fiona Körner / Science Park Kassel

von Gabriele Hennemuth

Seit einiger Zeit gleicht keine Wochenkarte in der Forschungskantine im Science Park der anderen. Susanne Wegerich, die ambitionierte Betreiberin, entwickelt immer wieder neue Gerichte, die sich flexibel an dem Angebot regionaler Landwirt*innen orientieren. Anders als viele Gastronom*innen, die beim Großmarkt bestellen, arbeitet das Team der Forschungskantine mit vielen kleinen, regionalen Partner*innen zusammen. „Wenn es dort gerade viel Fenchel gibt, dann stehen auf der Karte eben Gerichte mit Fenchel, auf so etwas können wir spontan reagieren“, beschreibt die Unternehmerin ihre Arbeitsweise. „Durch den direkten Kontakt zu unseren Lieferant*innen können wir die Ernährungswende mitgestalten, indem wir Überproduktion direkt verwerten und regionale Rohstoffe einkaufen.“
Als Diplom-Produktdesignerin der Kunsthochschule Kassel verfasste Susanne Wegerich ihre Abschlussarbeit zur „Neuen Kultur gastronomischer Pop-Ups“. Noch während des Studiums gründete die leidenschaftliche Köchin den Cateringservice „Stulle und Gut“. Später kam mit dem „Dépanneur“ ein „gastronomisches Labor“ hinzu. Hier wurde gekocht, getestet und bewirtet. Als die Corona-Krise viele Gastronom*innen zwang, die Lokale zu schließen, entwickelte die umtriebige Unternehmerin ein Angebot zum Mitnehmen, das sie über ihren Instagram Kanal bewarb. Aus dieser Zeit hat sie eine große Flexibilität mitgenommen: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Zustände so bleiben wie sie sind.

Menschen werden morgen nicht essen, was sie gestern gegessen haben. Es gibt immer wieder neue Bedürfnisse und Trends, auf die wir mit unserem Angebot reagieren wollen“, beschreibt Susanne Wegerich die Herausforderung. Auch die äußeren Bedingungen von Wetter und Klima ändern sich und führen neben der geänderten Nachfrage zu angepassten Angeboten auf dem Erzeugermarkt. Für sie ist es wichtig, neue Impulse und Erfahrungen zu machen, um ihre Küche weiterzuentwickeln. Dazu reist sie gerne, beschäftigt sich mit unterschiedlichen Landesküchen und Rezepten und besucht Messen und Kongresse. Auch der Austausch mit anderen Vereinsmitgliedern im „Ernährungsrat Kassel“ bereichert Susanne Wegerich. In dem Verein, der 2023 gegründet wurde, tauschen sich Menschen untereinander aus, denen Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit wichtig sind. Sie fordern, dass Ernährung für jeden gesund, nachhaltig und erschwinglich sein soll. Für Susanne Wegerich hat sich während der Corona-Krise gezeigt, dass lokales ökonomisches Wirtschaften einen hohen Wert hat.
Die Unternehmerin erkannte damals, wie wertvoll es ist, regionale Lebensmittelressourcen zu verwenden und eine tägliche Ernährung anzubieten, die an die Schwankungen des Angebots angepasst ist. Dabei folgt sie nachhaltigen Grundsätzen und setzt auf den persönlichen Kontakt zu den Erzeuger*innen, verwendet z.B. Gemüse und Frischwaren von Höfen und Gärtnereien aus Nordhessen, Eier und Geflügel aus Baunatal oder Mehl, das in Kassel gemahlen wird. 

Auch wenn Susanne Wegerich die Verwendung hochwertiger Ressourcen und eine nachhaltige Ernährung besonders am Herzen liegen, muss sie als Unternehmerin alle Bereiche der Forschungskantine im Blick behalten. Die Preissteigerungen des letzten Jahres führten dazu, dass auch die Kantine das Angebot anpassen musste, allerdings ohne Kompromisse bei der Qualität. Wertschätzung für gute Lebensmittel muss vermittelt werden und kann nicht zu Lasten eines Glieds in der Wertschöpfungskette gehen. Stellschrauben gibt es auch so genug z.B. fleisch-reduziertes Kochen, Vermeidung von Resten und nicht zuletzt gut abgestimmter Einkauf und Planung durch aktive Kommunikation mit den Lieferant*innen. Nachhaltige Alltagsernährung ist auch eine soziale Frage. „Wir wollen alle gut essen und dass alle für ihre Arbeit fair bezahlt werden. Preise, die sich nur durch Masse und zu Lasten von Umwelt, Tieren und Menschen in anderen Teilen dieser Welt machen lassen, sind nicht die Lösung“.

Mittlerweile hat Susanne Wegerich drei wirtschaftliche Standbeine:  Die Forschungskantine bietet von 9 - 15 Uhr neben einem Mittagsgericht und wechselnden Suppen, auch Stullen, Kaffeevariationen und hausgemachtes Gebäck an. Für Tagungen, Workshops und Besprechungen im Science Park sowie Veranstaltungen auf dem Campus und im Stadtgebiet gibt es ein abgestimmtes Cateringangebot. Ein weiteres Standbein der kreativen Unternehmerin sind kulinarische Pop-Up Formate, die in unregelmäßigen Abständen über den Instagram-Kanal kommuniziert werden. Inspiriert von anderen Landesküchen bereitet das Team an einem Freitag Abend im Monat ein neues Menü zu. „Ramen und Bier“ ist eines der Formate, das sich mit der japanischen Alltagsküche beschäftigt. Ramen, eine typische japanische Nudelsuppe kocht das Team der Forschungskantine aus lokalen Rohstoffen. Brühe, Nudeln, Kimchi und Tofu werden selbst hergestellt.
Zuletzt hat Susanne Wegerich gemeinsam mit dem Kanzler der Uni Kassel und seiner aus Bosnien stammenden Frau deren bosnische Heimatküche gekocht. Dafür konnten sich Interessierte für das Format „Cevapi und Šljivovica“ anmelden und abends an den langen Tischen der Forschungskantine gemeinsam essen. „Für mich passt das Format gut in unsere Zeit, weil sich Gruppen, die sonst nicht im Kontakt sind, treffen und sich auf einer anderen Ebene als üblich begegnen können“, beschreibt Susanne Wegerich den Reiz des Formats. „Ich möchte einen Ort der Begegnungen schaffen. Mir gefällt der nette Umgang untereinander im Science Park. Man spürt die Start-up Atmosphäre: Die Menschen sind extrem aufgeschlossen und offen für neue Themen.“

www.forschungskantine.de
Fotos: Fiona Körner / Science Park Kassel