
Der erste Gründungsbeauftragte Kassels im Interview
Das Interview führte Corinna Kondermann
Samuel Rettenmaier ist Politikwissenschaftler und seit dem 1. März 2025 Gründungsbeauftragter der Stadt Kassel. Nach seinem Studium an der Universität Kassel sammelte er berufliche Erfahrungen in verschiedenen Bereichen, zunächst beim gemeinnützigen Kulturverein Streetbolzer e.V. und später als Koordinator für das Landesprogramm WIR im Amt für Chancengleichheit. Dort beschäftigte er sich intensiv mit Verwaltungsstrukturen und interkulturellen Themen – eine Expertise, die ihm in seiner aktuellen Position zugutekommt.
Als Gründungsbeauftragter ist er Ansprechperson für Gründende in Kassel. Sein Ziel: Start-ups und junge Unternehmen auf ihrem Weg begleiten, bürokratische Hürden abbauen und wertvolle Netzwerke zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung knüpfen. Ein besonderer Fokus seiner Arbeit liegt auf der Unterstützung von Gründerinnen und Gründern mit Migrationshintergrund sowie der weiteren Stärkung der Kasseler Gründungszene. Mit dieser Position setzt die Stadt Kassel ein klares Zeichen für eine aktive und nachhaltige Förderung von Unternehmensgründungen.
Welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten haben Sie in Ihrer Position als Gründungsbeauftragter der Stadt Kassel?
Als Gründungsbeauftragter der Stadt Kassel verstehe ich mich als zentrale Anlaufstelle für Gründende, die Unterstützung im Umgang mit der Verwaltung suchen. Meine Aufgabe ist es, den Gründungsprozess in Kassel so reibungslos wie möglich zu gestalten. Dazu gehört die Unterstützung zu relevanten Behördengängen, die Vernetzung mit lokalen Institutionen der Wirtschaftsförderung und die strategische Arbeit an einer städtischen Gründungspolitik. Ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit ist zudem die Netzwerkarbeit: Ich möchte Brücken zwischen Verwaltung, Unternehmen, Wissenschaft und Institutionen der Wirtschaftsförderung bauen. Außerdem arbeite ich daran, bürokratische Hürden zu identifizieren und abzubauen, um Kassel als attraktiven Standort für Start-ups weiterzuentwickeln.
Welchen Herausforderungen begegnen Gründende in Kassel häufig, und wie können Sie ihnen dabei helfen, diese zu meistern?
Viele Gründende stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Bürokratische Prozesse sind oft komplex, insbesondere für diejenigen, die zum ersten Mal gründen. Die Finanzierung von innovativen Geschäftsideen kann herausfordernd sein, und auch die Vernetzung mit relevanten Akteuren und Akteurinnen der Wirtschaft ist nicht immer einfach. Hier möchte ich Teil der Lösung sein: Ich unterstütze Gründerinnen und Gründer dabei, sich in der Verwaltung zurechtzufinden, etwa indem ich sie durch Antragsverfahren begleite oder ihnen Kontakte zu Förderstellen vermittle.
Außerdem möchte ich mich für bessere Rahmenbedingungen einsetzen, indem ich gemeinsam mit Partnern aus Verwaltung und Wirtschaft an Lösungen für häufige Probleme arbeite – sei es durch die Optimierung von Prozessen oder den Aufbau neuer Förderstrukturen. Besonders wichtig ist mir die Unterstützung von Gründerinnen und Gründern mit Migrationsgeschichte. Sie stellen einen großen Teil der Gründungsszene, stehen aber oft vor zusätzlichen Hürden wie Sprachbarrieren oder fehlendem Vertrauen in Behörden. Durch mehrsprachige Angebote und gezielte Unterstützung möchte ich hier Brücken bauen.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit bestehenden Unternehmen oder anderen Start-ups in Kassel für den Erfolg der neuen Gründenden? Und wie sehen Sie die Rolle der Hochschule und auch des Science Parks in Kassel für die Gründungslandschaft?
Die Vernetzung mit bestehenden Unternehmen und Start-ups ist enorm wichtig. Erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer können wertvolle Impulse geben, als Mentorinnen und Mentoren fungieren und Kooperationen ermöglichen. Eine starke Gründungsszene lebt von Austausch und gegenseitiger Unterstützung.
Der Science Park und die Universität Kassel spielen hier eine zentrale Rolle: Der Science Park bietet mit seinen Beratungsangeboten und Räumlichkeiten ein wichtiges Umfeld für innovative Gründungen. Die Hochschule wiederum bringt Talente, Forschung und neue Ideen hervor – ein entscheidender Treiber für eine dynamische Start-up-Landschaft.
Welche Trends und Chancen beobachten Sie in der Gründungslandschaft, die in Kassel und darüber hinaus relevant sind?
In Kassel und deutschlandweit sehe ich vor allem drei Trends, die für Start-ups spannend sind. Zum einen Nachhaltigkeit und Green Tech: Viele junge Unternehmen setzen auf nachhaltige Geschäftsmodelle, sei es in der Energiebranche, Mobilität oder Kreislaufwirtschaft. Kassel mit seiner Nähe zur Erneuerbare-Energien-Branche hat hier großes Potenzial. Zum anderen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz: Smarte Software-Lösungen und KI-Anwendungen sind stark im Kommen. Mit Unternehmen wie Yatta Solutions oder enercast zeigt Kassel, dass hier spannende Entwicklungen möglich sind. Und schließlich soziale Innovationen: Immer mehr Start-ups denken über rein wirtschaftlichen Erfolg hinaus und verfolgen auch gesellschaftliche Ziele. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es im Handwerk mit seinen großen Nachwuchsbedarfen auch viele unternehmerische Chancen für Gründungen und Betriebsnachfolgen gibt.
Ich möchte dafür sorgen, dass Kassel Gründerinnen und Gründern in allen diesen Bereichen die richtigen Rahmenbedingungen bietet – sei es durch Vernetzung, Förderung oder den Abbau bürokratischer Hemmnisse. Außerdem sehe ich große Chancen in der gezielten Förderung von Gründerinnen und Gründern mit Migrationshintergrund. Diese Gruppe ist statistisch besonders gründungsfreudig, braucht aber oft zusätzliche Unterstützung, um bürokratische und finanzielle Hürden zu überwinden.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Ökosystems in Kassel in den nächsten fünf Jahren und was sind die langfristigen Visionen der Stadt Kassel, wenn es um die Förderung von Start-ups geht?
Ich sehe Kassel auf einem vielversprechenden Weg. Die Stadt hat sich als Gründungsstadt positioniert und mit der neuen Stabsstelle Wirtschaftskoordination die Weichen für eine optimale Unterstützung von Unternehmen gestellt. In den nächsten fünf Jahren sehe ich Kassel als einen Standort mit wachsender Attraktivität für Gründerinnen und Gründer.
Die Stadt hat bereits eine starke Basis: Eine breit aufgestellte Förderlandschaft, eine gute Infrastruktur und eine enge Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft. Als Universitätsstadt mit einem Fokus auf zukunftsfähige Themenfelder hat Kassel alle Potentiale, um gründungswillige junge Menschen in der Wirtschaftsregion Kassel zu halten und anzuziehen. Nun gilt es, diese Vorteile gezielt auszubauen. Langfristig sollten wir überlegen, wie wir innovative Start-ups noch gezielter unterstützen können, beispielsweise durch die Einwerbung spezieller Förderprogramme oder eine verstärkte Ansprache von Investorinnen und Investoren.
Was würden Sie Gründenden raten, die gerade mit ihrer Idee starten?
Mein wichtigster Rat: Holt euch Unterstützung! Nutzt bestehende Netzwerke, trefft euch mit anderen Gründenden und tauscht euch aus. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Beratungsangeboten – nicht zuletzt von Institutionen wie dem Science Park, der IHK, Handwerkskammer oder der Wirtschaftsförderung, um nur einige zu nennen. Weiterhin rate ich dazu, dass man sich nicht von Bürokratie und Behördengängen abschrecken lässt. Ja, der Weg durch die Verwaltung kann herausfordernd sein – aber genau dafür gibt es Unterstützung. Als Gründungsbeauftragter stehe ich bereit, um dabei zu helfen. Kassel ist ein wunderbarer Standort für neue Geschäftsideen, und ich freue mich darauf, Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg zu begleiten.
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