Beitrag vom 07.04.2025

KI als vielseitiges Werkzeug – auch in der Produktion?


Teaser

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Chat GPT, Copilot, Gemini und etliche andere generative KI-Angebote werden zum alltäglichen Unterstützer der Büro-Arbeitenden.

Egal, ob Angebote verfasst werden, Geburtstagsemails gebrainstormt oder Artikel geschrieben werden, KI unterstützt (auch dieser Artikel hatte etwas Unterstützung von KI – schaut Euch die Bilder doch mal genau an). In fast jedem Bereich kann KI helfen. Entwürfe für Folien, Zusammenfassungen für Termine, ToDo-Listen, Emails sichten und sortieren… was hier nicht vorkommt, ist für viele Unternehmen aber das Wichtigste: Was kann KI für Maschinen und Produktionsprozesse tun? Dazu haben wir mit Dr. André Knie, einem der Gründer und Geschäftsführer der Data Hive Cassel GmbH bei uns im Science Park gesprochen.

Die Data Hive Cassel GmbH (dHive) ist ein führender Projektpartner für Technologie und Innovation in der Produktion. Gegründet wurde das Start-up im Jahr 2021 von Experten aus Datenanalyse, Prozessautomatisierung, sowie Mess- und Regelungstechnik. Seit 2023 sind sie im Science Park Kassel und haben sich dort als Berater und Experten für Entwicklungsprojekte für kleine und mittelständische Unternehmen etabliert, die gerne den technologischen Fortschritt für ihre Produktion nutzen wollen. Häufig unterstützen sie auch die Start-ups im Science Park als Coaches oder in kleinen Projekten. Das Interview führte Gabriele Hennemuth.

 

Wie nutzt ihr bei dHive KI, um die Produktion zu unterstützen?

Das kommt ganz auf das vor uns liegende Problem an. Es gibt verschiedene Arten von KI. Aktuell wird medial sehr viel über generative KI oder genAI gesprochen. Das sind ChatGPT, Gemini, AlephAlpha oder Copilot, die aus Text oder Spracheingabe Texte, Bilder oder ganze Dokumente generieren können. Die nutzen wir in Projekten aber nur am Rande, wenn sie uns beispielsweise schnell bei der Ideengenerierung helfen. Viel häufiger nutzen wir die Art von KI, die vor dem Triumphzug von ChatGPT und Co da war. Zum Beispiel maschinelles Lernen/machine learning, das aus großen Datenmengen Zusammenhänge für uns herausfiltern kann.


Kannst du einfach erklären, was da passiert?

Ich kann es versuchen (lacht). Stell dir eine Tafel vor, an der aufgeschrieben wird, welche Einstellungen einer Maschine zu welchem Ergebnis führen. Also erste Einstellung Dreiecke, Vierecke oder Kreise. Zweite Einstellung klein oder groß, dritte Einstellung kalt oder warm und das Ergebnis kaputtes Teil oder ganzes Teil. Und jetzt sieht man, dass Dreiecke klein und kalt sein müssen, damit es ganz ist und Vierecke groß und warm. Bei Kreisen ist es nach zwanzig Zeilen nicht eindeutig, aber klein und warm ist öfter ganz, als die anderen Einstellungen. Solche einfachen Zusammenhänge gibt es bei den meisten modernen Maschinen nicht offensichtlich. Hunderte oder Tausende von Einstellmöglichkeiten und komplizierte „kaputt/ganz“-Messmethoden gilt es gleichzeitig zu analysieren und sehr oft fehlt dann auch noch eine wichtige Einstellung, die noch nicht gemessen wird. Machine Learning kann sich jetzt alle Daten (Einträge auf der sehr, sehr großen Tafel) gleichzeitig angucken und kann uns helfen die Einstellungen zu finden, die den größten Einfluss haben. Und wir können dann mit Hilfe dieser Analyse viel schneller einen optimalen Produktionsprozess vorschlagen – also zum Beispiel: Welche Einstellung haben den geringsten Ausschuss.


Das klingt erstmal etwas abstrakt, hast du ein konkretes Beispiel?

Na klar, wobei es in der Realität etwas komplizierter wird.
Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit der Uni Kassel eine Methode entwickelt, um die Qualität von Spritzgussteilen vorherzusagen und das während des Prozesses ohne zusätzliche Qualitätskontrolle. [Anm.: Spritzgussteile sind fast alle kleinen und großen Kunststoffteile, mit denen wir täglich umgehen. Von Gehäusen für Gadgets, über Kinderspielzeuge, bis zu Stoßfängern an Autos und LKWs].

Dazu nutzen wir fortschrittliche Sensortechnologie und Datenanalyseverfahren, um wichtige Prozessparameter wie Druck, Temperatur, Kraft und Bewegung während jedes Spritzgießzyklus zu überwachen und zu analysieren.
In modernen Spritzgussmaschinen sind meistens bereits einige hundert Sensoren verbaut und erfassen ständig Daten. Mit Hilfe dieser Daten sind wir in der Lage Prognosemodelle zu entwickeln, die die Qualität der produzierten Teile auf der Grundlage einer Vielzahl von Faktoren, einschließlich Prozessparametern, Maschineneinstellungen und Umgebungsbedingungen, genau vorhersagen können. Diese Modelle werden anhand historischer Daten trainiert, die während früherer Spritzgießzyklen gesammelt wurden, sodass sie Muster und Beziehungen zwischen verschiedenen Parametern erlernen können, die die Teilequalität beeinflussen.

Alex [Anm. d. Redaktion: Dr. Alexander Schrodt, der zweite Gründer und Geschäftsführer von dHive] sagt immer, dass wir heute Dank cleverer Nutzung von KI-Methoden und Verständnis von Prozessen bislang undenkbare Dinge ermöglichen können. Wir sind aktuell dabei ganz neue, komplexe Bereiche für die Automatisierung zugänglich zu machen, über die wir vor wenigen Jahren noch gar nicht gewagt haben nachzudenken.


Hast Du noch ein Beispiel für ein Projekt innerhalb des Science Parks?

In den meisten Fällen sind die in Nutzung befindlichen Maschinen noch nicht mit Sensorik ausgestattet oder die „richtigen“ Sensoren fehlen. Für solche Fälle können wir dank unserer Partner schnell – meistens innerhalb von wenigen Wochen – eine Lösung schaffen. Aktuell ist Energieeffizienz ein großes Thema, aber genauso die Überwachung von Anlagen und Prozessen. Ein solches System haben wir auch für die KI von Veli entwickelt, die damit jetzt älteren Menschen helfen ein selbstbestimmtes Leben zu führen oder auch für ÖkoVision, die dank unserer Messsysteme ihren Kund*innen helfen Energie zu sparen und damit sowohl den Geldbeutel als auch die Umwelt zu schonen. Das sind tolle gesellschaftliche Mehrwerte.

Möchtest du zum Schluss noch in einem Satz den Mehrwert schildern, den Firmenkund*innen von der Zusammenarbeit mit dHive bekommen?

Im Kern besteht die Mission von dHive darin, Unternehmen dabei zu helfen, Innovationen voranzutreiben, Effizienz zu steigern undKosten zu senken. Von der Beratung bis hin zur kompletten Projektabwicklung bieten wir – gemeinsam mit unserem Partnernetzwerk – die Dienstleistung an, die die Produktion und die Produkte unserer Kund*innen ins 21. Jahrhundert bringt. Das ist heute sehr oft Digitalisierung und KI, aber manchmal auch der Prototyp für ein ganz neues Produkt.

 

Hier gibt es Studien, die mehr Einblicke zu KI-Methoden für den Spritzguss geben:

„Online Prediction of Molded Part Quality in the Injection Molding Process Using High-Resolution Time Series“, Polymers, 2023
„Time series data for process monitoring in injection molding: a quantitative study of the benefits of a high sampling rate“, International Polymer Processing, 2023

Mehr Informationen zu Data Hive Cassel:
www.d-hive.de